„Die beste Erfindung auf diesem Planeten“
Die ungefähre Lesezeit beträgt 15 Minuten.
Die ungefähre Lesezeit beträgt 15 Minuten.
Türkisblaues Wasser, am Grund liegen Überreste eines alten Segelbootes – und plötzlich ist da ein Hai. Was sich nach dem Albtraum eines Surfers auf Hawaii anhört, ist in Wahrheit eine Traumkulisse für ganz andere Wassersportler: die „Karibik in Norddeutschland“. So nennt Arne Suhl den Kreidesee im niedersächsischen Hemmoor. „Da ist ganz viel für Taucher drin.“ Wer mit Flossen, Flasche und Taucherbrille in dem Gewässer unterwegs ist, findet viele Attraktionen – bis hin zu einem funktionierenden Briefkasten, der 19 Meter unter der Wasseroberfläche angebracht ist. Arne Suhl hat eigenen Angaben zufolge im Bremer Umland schon alles betaucht. Immer mit dabei: Urinalkondome.
Die Luftschicht hält warm
Die praktischen Hilfsmittel sind eigentlich dazu gedacht, inkontinenten Männern das Leben zu erleichtern. Benutzer rollen sie sich über ihr Glied und verbinden das offene Ende an der Spitze des Artikels mit einem Schlauch. Durch diesen läuft abgehender Urin in ein Reservoir, meist einen Beinbeutel. Nun ist Arne Suhl gar nicht inkontinent. Der 34-jährige Teamleiter einer Firma für Biogasaufbereitungsanlagen, der aus Achim bei Bremen kommt, hat das Hilfsmittel für sich entdeckt, weil er dank ihm auch unter Wasser aufs Klo gehen kann. Sein Trockenanzug – beim Termin vor Ort nennt er ihn Trocki – bleibt dank der Urinalkondome auch wirklich trocken. Das ist wichtig, denn nur durch die Luftschicht innerhalb der Anzüge halten diese ihre Träger auch während langer Ausflüge in kalten Gewässern warm.
Arne Suhl
Arne Suhl
Gut durchblutete Körpermitte
„Man muss schneller, wenn man taucht“, erklärt Arne Suhl. Das hänge damit zusammen, dass sich durch die kühle Umgebung die Durchblutung des Menschen auf die Körpermitte konzentriere. Dadurch nimmt dem Tauchlehrer zufolge in dem Bereich das Blutvolumen zu, weshalb die Nieren mehr zu arbeiten hätten und mehr Harn entstehe. Bei einer halben Stunde Tauchgang sei das noch kein Problem, ab zwei Stunden dann aber schon. Und einfach schnell an Land zu gehen und normal Pipi abzulassen, das geht laut dem erfahrenen Wassersportler vor allem dann nicht so einfach, wenn man in tieferen Gewässern unterwegs ist. „Da kommt man schnell an den ,Ich muss dringend auftauchen, aber kann nicht‘-Punkt“, sagt Suhl. Denn je länger sich Taucher in tiefen Gewässern aufhalten, desto dringender müssen sie beim Hochkommen sogenannte Dekompressionspausen oder -stopps einlegen. Das bedeutet: Sie halten in bestimmten Wassertiefen und lassen ihrem Körper Zeit, sich langsam an den geringeren Druck zu gewöhnen. Andernfalls riskieren sie Bewusstlosigkeit, einen Kreislaufstillstand oder Embolien.
Wasserlassen im Wasser will gelernt sein
Dank eines Ports mit Flatterventil und Schlauch, der mit dem Urinalkondom verbunden wird, kann Arne Suhl nun auch unter Wasser problemlos Wasser lassen. „Ich brauche es nicht jedes Mal, aber es ist gut zu wissen, dass ich es habe. Das beruhigt mich.“ Pipieinfach ist die Benutzung allerdings nicht – zumindest nicht gleich, erzählt der 34-Jährige. Denn durch die horizontale, schwebende Bauchlage, in der sich Tauchende befinden, fühle es sich ziemlich merkwürdig an, einfach laufen zu lassen. „Das ist eine sehr ungewohnte Haltung, wenn man mal muss“, sagt Suhl. Außerdem sei er in diesen Situationen quasi angezogen und es gelte, den Wasserdruck zu überwinden. „Das muss man üben.“ Leichter gelingt die Blasenentleerung mithilfe einer Windel. Doch während befreundete Taucher darauf schwören, kann sich Arne Suhl nicht wirklich mit dem Gedanken anfreunden, irgendwie dann doch in die Hose zu machen.
Im Tauchertreff Dekostop, in dem Arne Suhl Mitglied ist, war er seinen Angaben zufolge der erste, der sich ein Pinkelventil in den Trocki eingebaut hat. Seitdem macht er fleißig Werbung dafür und für das Kondomurinal – „die beste Erfindung auf diesem Planeten“.
Pipihilfe auch für Taucherinnen
Damit auch Taucherinnen nicht auf lange Erkundungstouren unter Wasser verzichten müssen, gibt es Hilfsmittel wie She-P. Dabei handelt es sich um eine Silikonform, die sich mithilfe von Hautkleber an die Vulva kleben lässt. Das Pinkelventil für Frauen besitzt eine kleine Schale, die in einem Schlauchausgang endet und sich so wie die Version für Männer aus dem Neoprenanzug heraus führen lässt. Die Silikonform lässt sich mehrfach verwenden. Allerdings stellen die zweckentfremdeten Urinalkondome für Männer eine sehr viel günstigere Alternative dar.
Taucher sind im Übrigen nicht die einzigen, die sich das Inkontinenzmaterial für ihren Sport zunutze machen. Daneben haben auch Männer, die Gleitschirm fliegen oder im Segelflieger sitzen, die praktischen Teile für sich entdeckt.