Andropause

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Mythos Andropause

Die ungefähre Lesezeit beträgt 15 Minuten.

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Normalerweise widmet sich die medizinische Forschung eher und lieber den männlichen Vertretern der menschlichen Spezies. Deshalb ist über die Symptome des Herzinfarktes bei Männern weit mehr bekannt als über die von Frauen, die sich davon unterscheiden. Zudem wurden beziehungsweise werden Medikamente primär an Personen mit XY-Chromosomensatz getestet. Deshalb existiert die sogenannte Gender-Health-Gap, die Gesundheitslücke der Geschlechter. Auf einen Bereich treffen diese blinden Flecken allerdings nicht zu: auf die Wechseljahre. An dieser Stelle ist ziemlich viel bekannt über Frauen; dass sie Hitzewallungen haben, die über Jahre andauern, dass sie Schlafstörungen bekommen, Stimmungsschwankungen und womöglich weniger Lust auf Sex, weil ihre Scheide trockener ist als vorher. Über die Wechseljahre beim Mann hingegen ist nicht viel bekannt. Oder gibt es sie gar nicht?

Inhaltsverzeichnis

Es ist kompliziert

Long story short: Die Lage ist nicht ganz eindeutig. Denn es kann schon vorkommen, dass ältere Männer einen dauerhaft niedrigen Testosteronspiegel haben (Zeit-Artikel). Ärzte sprechen dann von einem Testosteron-Mangel-Syndrom (TMS). Wie viele Symptome neben einem niedrigen Hormonlevel bei einem Mann noch auftreten müssen, damit er die Diagnose TMS bekommt, darüber streiten sich die Wissenschaftler. Zu der Liste können unter anderem gehören: Erektionsstörungen und generell eine verminderte Lust, verringerte Muskelmasse, dafür ein dickerer Bauch und Abgeschlagenheit. Für den Urologen Prof. Dr. Frank Sommer, der auf der Internetseite des Hamburger UKE als anerkannter Experte für Männergesundheit vorgestellt wird, müssen im psychischen Bereich, im physischen und im sexuellen Anzeichen vorhanden sein: „Wenn aus den drei Komplexen jeweils Symptome auftreten und der betroffene Mann zusätzlich mindestens bei zwei aufeinander folgenden Untersuchungen zu niedrige Testosteronwerte aufgewiesen hat, diagnostizieren wir ,Wechseljahressymptome‘.“ (Zeit)

Wirklicher Mangel ist selten

Generell – also nicht auf Patienten mit einem echten Mangel bezogen – verweist Sommer auf denselben Fakt wie auch die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE): Im Unterschied zu den abrupten Änderungen, die sich beim Östrogen im Hormonhaushalt bei Frauen zwischen 45 und 55 Jahren vollziehen, nimmt das Testosteron bei Männern in der Regel langsam ab – und zwar ab dem 40. Lebensjahr um ein bis zwei Prozent jährlich (DGE). Im Hormonhaushalt von Männern im mittleren Alter ändert sich also schon etwas. Aber eben langsamer, nicht so radikal wie bei Frauen. Und: „Inwiefern jedoch das schleichende Absinken des Hormonspiegels tatsächlich medizinisch relevante Beschwerden hervorruft, daran scheiden sich die Geister“ (Zeit). Das normale Absinken des Testosteronspiegels im Alterungsprozess sorgt noch nicht gleich für einen Hormonmangel und auch nicht immer für Probleme.

Die DGE schreibt: „[T]atsächlich sind in Deutschland nur drei bis fünf Prozent der Männer über 60 von einem echten Testosteronmangel betroffen“ – also vom TMS. Und: „Erst wenn der Testosteronspiegel einen bestimmten Grenzwert unterschreite, träten Beschwerden auf – und dies auch nicht bei jedem Mann“ (DGE). Deshalb steht für die Experten fest, dass es das Klimakterium virile oder Andropause, also die männliche Menopause, nicht wirklich gibt.

Erworbene Ursachen, die einen niedrigen Testosteronwert und echten Hormonmangel nach sich ziehen*:

  • Hodentumore, traumatische Verletzungen der Hoden oder eine Infektion (Orchitis)
  • Systemerkrankungen wie Nieren- oder Leberinsuffizienz, Diabetes, Schilddrüsenunterfunktion oder metabolisches Syndrom
  • Hirntumore oder Infektionen des Gehirns
  • Schlaganfall
  • Medikamente wie Neuroleptika oder Antipsychotika
  • Drogenmissbrauch

*rbb-Artikel

Lifestyle-Medikamente für Modeerkrankung

Was es den Experten zufolge allerdings durchaus gibt, ist die öffentliche Annahme davon, dass diese offenbar meist normalen Begleiterscheinungen des männlichen Alterungsprozesses behandelt werden müssen – Lifestyle-Medikation gefördert von der Pharmaindustrie, nennt der Zeit-Artikel das. Die DGE spricht von einer „Modeerkrankung“, die erfunden sei. Zwar hätten sich die Teilnehmer einer Studie von 2016 nach der Verabreichung von Testosteron besser gefühlt, hätten eine höhere Dichte an Muskelmasse sowie Knochenmineralien aufgewiesen und seien sexuell zufriedener gewesen. Allerdings sei die Hormongabe „…nach wie vor sehr kontrovers diskutiert“ wegen Nebenwirkungen wie etwa einem höheren Risiko für einen Schlaganfall oder einem Herzinfarkt.

Deshalb wägen seriöse Mediziner ganz genau ab, wem sie Testosteron verschreiben. Ältere Männer, die aufgrund zu niedriger Werte Osteoporose bekommen, gehören beispielsweise dazu. Diese würden dann der Zeit zufolge intensiv medizinisch kontrolliert.

Aber keine Angst, jeder männliche Vertreter der menschlichen Spezies kann selbst ein wenig beeinflussen, wie schnell sein Testosteronspiegel ab einem Alter von 40 abfällt: Experte Frank Sommer rät allen gesunden Männern zu einer ausgewogenen, gesunden, vitaminreichen Ernährung und Sport – für den Körper und den Geist. Damit ließe sich der Hormonspiegel recht stabil halten (Zeit). Der rbb-Text ergänzt, dass es helfe, den Alkoholkonsum und das Gewicht zu reduzieren und ausreichend zu schlafen.

zu viel, zu wenig, genau richtig

  • Testosteronmangel: Gesamttestosteron(GT) liegt unter 8 Nanomol pro Liter (nmol/l) oder freies Testosteron (fT) unter 8.18 nmol/l
  • Normalwert: GT ist höher als 12 nmol/l oder der des fT ist höher als 0.225 nmol/l
  • Testosteronüberschuss: GT-Werte zwischen 8 und 12 nmol/l

*Werte stammen von Gesellschaften wie der International Society for Sexual Medicine und der British Society for Sexual Medicine (rbb-Artikel).

Einigen generellen Informationen sowie den markierten Zitaten liegen folgende Quellen zugrunde:

Zeit Online „Wenn Er in die Wechseljahre kommt “ (Link), Stand: 10. Oktober 2023.

Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) „Männer in Wechseljahren: Symptome, Mythos, Behandlung“ (Link), Stand: 10. Oktober 2023.

Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e.V. „Wechseljahre des Mannes gibt es nicht: Altersbedingter Testosteronmangel betrifft nur wenige “ (Link), Stand: 10. Oktober 2023.

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Juliane Klug

Als Redakteurin liebt es Juliane, in immer neue Themen einzutauchen. Wenn sie anderen Menschen komplexe Dinge verständlich näherbringen kann, ist sie in ihrem Element. Seit dem Frühjahr 2022 sorgt Juliane im Marketing-Team von Citycare24 für Content.

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