Endometriose

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„Regelschmerzen sind nicht normal!“

Die ungefähre Lesezeit beträgt 15 Minuten.

#endendosilence – beendet das Schweigen über Endo beziehungsweise Endometriose. So lautet eine Forderung, die derzeit in den sozialen Netzwerken kursiert. Etwa eine von zehn Frauen lebt mit der Unterleibserkrankung, die Schmerzen verursacht und meist erst nach Jahren diagnostiziert wird. Alexa Tegeler hat Endometriose. Gemeinsam mit einer anderen Frau leitet sie die Selbsthilfegruppe in der Hansestadt Bremen. Im Interview erzählt die 38-jährige Elementarpädagogin BA/ Erzieherin, welche Therapiemethoden es gibt, was Betroffene selbst zusätzlich tun können, um besser mit der Krankheit zu leben und was sich gesamtgesellschaftlich ihrer Meinung nach in Bezug auf Endometriose ändern muss.

Das Thema Endometriose ist in den vergangenen Monaten und Jahren medial durch die Decke gegangen. Das, was ich davon vor allem gespeichert habe, sind die unglaublichen Schmerzen, die betroffene Frauen während ihrer Periode haben. Aber ich bin mir ganz sicher: Das ist noch nicht alles. Können Sie mal beschreiben, was die Krankheit ausmacht?
Alexa Tegeler: Sie ist total vielfältig. Neben den Schmerzen, die im Vordergrund stehen und die es auch außerhalb der Menstruation geben kann, gibt es häufig einen unerfüllten Kinderwunsch. Außerdem gibt es eine sehr unterschiedliche Ausprägung davon, wie stark die Organe oder umliegende Körperteile betroffen sind. Es gibt ja auch Extremformen, wo Endometriose-Herde in der Lunge oder in von den Geschlechtsorganen weiter entfernten Körperteilen gefunden wurden. Eine zweifelsfreie Diagnose kann nur über eine Bauchspiegelung gestellt werden.
Die Krankheit kann man nicht mithilfe von Ultraschall oder ähnlichem feststellen?

Alexa Tegeler: Geübte Ärzte und Ärztinnen können Endometriose mithilfe von Ultraschall mit einer recht großen Wahrscheinlichkeit sehen. Ich habe allerdings bisher nicht davon gehört, dass sie allein anhand der Ultraschallbilder eine Diagnose stellen, sondern dass die gesichert immer erst nach einer Bauchspiegelung gestellt wird.

Wichtig finde ich immer, zu sagen, dass das Endometriose-Gewebe der Gebärmutterschleimhaut ähnlich ist. Meines Wissens ist immer noch nicht genau bekannt, was das für Gewebe ist, weil es verschiedene Theorien gibt, wie Endometriose überhaupt entsteht. Je nachdem hängt damit auch zusammen, wie sich dieses Gewebe tatsächlich zusammensetzt.

Also tappt die Forschung da noch im Dunkeln?

Alexa Tegeler: Ja, was die Ursache angeht auf jeden Fall.

Sie haben gerade schon von Betroffenen mit Fruchbarkeitsproblemen gesprochen…

Alexa Tegeler: Ja. Viele Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch werden zur weiteren Diagnostik zu einer Bauchspiegelung geschickt und da wird oft Endometriose festgestellt. Wenn die Gründe für den unerfüllten Kinderwunsch bei der Frau zu suchen sind, dann ist Endometriose der Hauptgrund.

Alexa Tegeler

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Bei einem Interview, das ich vor zwei Wochen geführt habe, habe ich mit einer Frau über ihre Dranginkontinenz gesprochen. Sie erzählte mir, dass Endometrioseherde auf ihrem Blasendach entdeckt worden seien und sie deswegen behandelt worden ist. Diese Erkrankung kann ja wirklich großen Einfluss auf andere körperliche Vorgänge haben.

Alexa Tegeler: Vor ein paar Wochen habe ich den Film „Endo gut, alles gut“ gesehen. Da wurde auch erwähnt, dass eine Blasenentleerungsstörung durch eine Endometriose verursacht werden kann. Insgesamt gibt es viele Erkrankungen, die gepaart damit vorkommen: Schilddrüsenthematiken zum Beispiel, das Fatigue-Syndrom oder Verdauungsprobleme.

Seit wann haben Sie Ihre Diagnose? Und wie lange hat es gedauert, bis Sie diese bekommen haben?

Alexa Tegeler: Ich habe meine Diagnose seit März 2015, also fast neun Jahre. Ich hatte relativ viel Glück. Bei mir hat es nicht so lang gedauert. Wobei auch immer die Frage ist, ab wann man anfängt, danach zu gucken. Ich habe mich immer schon gefragt, was so drückt und mir so ein Unwohlsein in meinem Bauch bereitet. Denn das hatte ich schon viele Jahre davor. Letztendlich bin ich über einen Eisenmangel dazu gekommen, mich näher untersuchen zu lassen – und den Rat meiner Mutter, das mit der Menstruation in Verbindung zu bringen und meine damalige Frauenärztin mal zu fragen. Im Vergleich zu vielen anderen hatte ich sehr viel Glück, eine Frauenärztin zu haben, die das im Ultraschall ganz gut erkennen konnte. Sie hat Zysten gesehen und mit einem Medikament unterstützt, dass diese abgebaut werden – bei Endometriose-Zysten funktioniert das aber nicht. Dadurch war am Ende der medikamentösen Behandlung noch eine vorhanden. Die unterschied sich laut meiner Frauenärztin eben von den anderen. Aufgrund dessen wurde ich dann zu einer Bauchspiegelung überwiesen.

Aber meine jetzige Gynäkologin hat bezüglich der konkreten diagnostischen Frage, ob sie Endometriose an einer bestimmten Stelle im Bauchraum erkennen könne, mal zu mir gesagt, dass ihr Ultraschallgerät nicht gut genug sei, um so etwas mit Sicherheit zu sagen.

Bei der Recherche kam es mir so vor, als wenn die Frauen oft jahrelang Schmerzen erleiden und den richtigen Arzt, die richtige Ärztin suchen müssen. Sind Sie eher ein Sonderfall unter den Betroffenen, weil Sie einen verhältnismäßig kurzen Weg bis zur Diagnose hatten?

Alexa Tegeler: Was die Zeit angeht, bin ich auf jeden Fall eine große Ausnahme. Ich habe von verschiedenen Zahlen gehört. Bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch erfolgt die Diagnose früher, aber immer noch im Schnitt erst nach fünf Jahren. Bei Frauen ohne Kinderwunsch sind es oft zehn Jahre. Irgendwas zwischen fünf bis zehn Jahren ist der typische Zeitraum.

Was können Betroffene gegen die Symptome tun?

Alexa Tegeler: Ich habe mit einer körperorientierten Methode eine gute Unterstützung gegen den Menstruationsschmerz gefunden: der Grinberg-Methode. Das ist auf jeden Fall eine total interessante Methode, sie wird aber leider nicht von der Krankenkasse bezahlt.

Außerdem finde ich es eine total interessante Frage, wie viel Ernährung ausmacht. Es gab bei uns in der Gruppe auch schon Berichte, dass Frauen mit veganer Ernährung gute Erfahrungen gemacht haben. Es gibt auch ein gutes Buch: „Endometriose und Ernährung“ von Britta Kaiser und Matthias Korell, an dem ich vor allem gut finde, dass es nicht auf ganz strikte Regeln setzt. Stattdessen gibt es bevorzugte und weniger günstige Lebensmittel. Aus Erfahrungen aus meiner Reha und aus der Gruppe scheint es mir schon sehr wichtig, auf manche Lebensmittel zu achten und sich allgemein möglichst gesund zu ernähren – was auch immer das dann im Einzelfall heißt.

Im Rahmen von Endometriose wird außerdem diskutiert, welche Milchprodukte oder wie viel man davon zu sich nehmen sollte. Es geht dabei zum Beispiel darum, nicht so viele Kuhmilchprodukte zu essen, sondern auch Ziegen- und Schafsmilchprodukte. In meiner Reha wurde konkret auch darüber gesprochen, dass konventionell hergestellte Kuhmilchprodukte viel Östrogen enthalten. Das würde ich laienhaft als den Motor von Endometriose bezeichnen. Auch sinnvoll ist alles, was anti-entzündlich ist. Also zu gucken, wie ich omega-3-reiche Lebensmittel in meinen Speiseplan einbauen kann – vielleicht auch in Form von Algen-Öl oder anderen unterstützenden Produkten. Das war auch eine konkrete Empfehlung in der Reha. Ich fand‘ es auch interessant, zu hören, dass Weizen und Zucker entzündliche Prozesse in Gang setzen können und Kaffee schmerzverstärkend sein kann. Meiner Meinung nach ist es auf jeden Fall einen Versuch wert, auf die Ernährung zu gucken und da Dinge auszuprobieren, wenn man Endometriose hat.

Sie haben gerade schon erwähnt, dass es Operationen gibt, bei denen Herde entfernt werden. Eben haben Sie außerdem die Ernährung mit ins Spiel gebracht. Gibt es dazwischen noch eine Behandlungsmethode? Gibt es Medikamente?

Alexa Tegeler: Eine ganz klassische Behandlung, wenn Operationen erfolgt sind oder keine Option sind, ist die Behandlung mit der Pille, wo Frauen entscheiden müssen, ob sie die Hormone nehmen wollen. Beim unerfüllten Kinderwunsch ist das natürlich nicht die passende Behandlung. Es gibt aber auch die Empfehlung, es erst mit sogenannten GnRH-Analoga zu versuchen. Das sind Wechseljahrsmedikamente, die Betroffene für einen begrenzten Zeitraum einnehmen können. Sie versetzen die Endometriose in eine Art Winterschlaf. Das ist auch etwas Hormonelles. Wie mit der Pille wird auch damit versucht, die Endometriose quasi auszuhungern.

Bei meiner zweiten OP gab es die konkrete Empfehlung, die GnRH-Analoga ein halbes Jahr lang einzunehmen und dann den Kinderwunsch beziehungsweise eine Kinderwunschbehandlung anzugehen. Länger ist das nicht möglich, weil die gleichen Begleiterscheinungen wie bei den Wechseljahren auftreten: das Osteoporose-Risiko steigt zum Beispiel.

Hormone klingen aber nicht gerade verlockend. In den vergangenen Jahren haben ja viele Frauen aufgehört, die Pille zu nehmen, weil sie in Verbindung gebracht wird mit depressiven Verstimmungen, einer verminderten Libido, einem erhöhten Thrombose-Risiko und anderen Dingen.

Alexa Tegeler: Ja, aber ich glaube, viele Frauen mit Endometriose nehmen die Pille, weil sie bei der Krankheit einfach keine Handlungsspielräume sehen. Wenn Sie die Wahl zwischen starken Schmerzen und der Pille haben, dann ist die Pille das kleinere Übel.

Können Sie etwas zur Selbsthilfegruppe in Bremen erzählen?

Alexa Tegeler: Mirinda Mügge und ich sind dort seit drei Jahren Ansprechpartnerinnen. Davor hat sie vor allem eine Frau geleitet, aber das ging aus einer Gruppe von fünf, sechs, sieben Betroffenen hervor, die sich privat organisiert getroffen haben. Irgendwann sind sie von der Endometriose-Vereinigung Deutschland angesprochen worden, ob sie ihre Treffen nicht öffnen wollen für andere.

Wie viele sind Sie denn jetzt und wie viele Betroffene wenden sich hilfesuchend an Sie?

Alexa Tegeler: Mirinda Mügge hatte das noch einmal rausgesucht. Wir haben einen offenen Verteiler. Da waren vor drei Jahren 37 Leute drin. Jetzt sind da über 100 Frauen drin. Der Zuwachs ist schon sehr groß. Bei den Treffen sind wir gar nicht so eine große Runde, was für Neue auch sehr schön ist. Je nachdem, ob wir uns online treffen oder live, ist das immer im Rahmen von fünf bis zwölf Leuten. So ist es auch für neue Menschen ganz schön, dazu zu kommen. Andere lesen nur über den Verteiler mit.

Live- und Online-Treffen im Wechsel

„Seit Corona treffen wir uns alle zwei Monate am 3. Donnerstag im Monat immer im Wechsel live vor Ort und online: im Januar, März, Mai, Juli, September und November. Die Live-Treffen starten um 18 Uhr in Räumen des Netzwerks Selbsthilfe an der Faulenstraße 31 in Bremen. Die Online-Treffen beginnen immer um 19.30 Uhr. Interessierte können uns einfach eine Mail schreiben an info@endometriose-shg-bremen.de.“ (Alexa Tegeler)

Welche Tipps haben Sie denn noch parat, wenn eine Frau vermutet, dass sie an Endometriose erkrankt sein könnte, aber keine Diagnose bekommt. Wie sollte sie am besten vorgehen, damit nicht erst viele Jahre verstreichen, in denen ihre Schmerzen womöglich als Anstellerei abgetan werden und bevor ihr jemand hilft?

Alexa Tegeler: Regelschmerzen sind nicht normal! Deshalb sollten Betroffene bei ihrem nächsten gynäkologischen Termin nachfragen. Wenn die Antworten nicht befriedigend sind, sollten sie trotzdem weiter dranbleiben und sich eine weitere Meinung einholen. In unserer Gruppe sammeln wir auch Tipps – Adressen von Ärztinnen und Ärzte, Physios, Osteopathen und Osteopathinnen, auch Fachärztinnen und -ärzte, die häufig im Zusammenhang mit Endometriose konsultiert werden. Hier in Bremen gibt es beispielsweise die Praxis einer Ärztin, die mal ein Endometriose-Zentrum geleitet hat. Die Selbsthilfegruppe ist ein guter Ort, um solche Tipps auszutauschen.

Hier in Bremen werden viele für eine diagnostische OP zu einer Praxis geschickt. Die macht sicher gute Arbeit. Aber um wirklich gut behandelt oder – man sagt – saniert zu werden, also um möglichst alle Endometrioseherde zu entfernen, ist eine ambulante Praxis einfach nicht gemacht. Die Ärztinnen und Ärzte dort stellen eine Diagnose, wie das bei unerfülltem Kinderwunsch zum Beispiel auch richtig und wichtig ist. Aber es gab da auch schon unglückliche Erfahrungen, weil die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus einer ambulanten Operation nicht so eine große Operation machen können. Wenn man einmal schon reinguckt und eine Vollnarkose hat, die mit Risiken verbunden ist, dann ist es wichtig, dass man die Möglichkeit hat, stationär untergebracht zu werden oder dass, wenn man Anspruch auf eine Anschluss-Heilbehandlung hat, diese auch machen kann. Dabei unterstützt eben auch der Patientenservice im Krankenhaus beziehungsweise im Endometriose-Zentrum. Das wissen sehr viele nicht.

Das Angebot der Endometriose-Vereinigung ist übrigens auch sehr gut! Ich meine, dass die einmalig sogar eine kostenlose Beratung anbietet, aber für 60 Euro im Jahr können Betroffene auch Mitglied sein – und Beratungen zu verschiedenen Dingen in Anspruch nehmen.

Wenn Sie sich etwas wünschen könnten: Was würden Sie gesundheitspolitisch und gesellschaftlich gern ändern, um es Betroffenen leichter zu machen?

Alexa Tegeler: Auf jeden Fall sollte es mehr Forschung geben, damit noch klarer wird, was denn die Ursache von Endometriose ist, aber auch viel bessere Fortbildungen für niedergelassene Gynäkologen und Gynäkologinnen. Denn nicht viele Betroffen hatten so viel Glück wie ich und sind direkt ernst genommen und gut beraten worden. Wenn da einfach Jahre vergehen und Frauen das Gefühl vermittelt bekommen, sie können ihrem Körper gar nicht mehr vertrauen, weil sie immer abgewiesen werden, das ist in jedem Fall eine schlimme Erfahrung.

Gesellschaftlich gibt es Themen, über die Menschen nicht so viel reden. Da gehört Endometriose leider dazu: eine gynäkologische Erkrankung, die mit der Menstruation zu tun hat. Natürlich ist so eine Erkrankung etwas Intimes und Menschen müssen selbst entscheiden, wie viel sie darüber sprechen. Aber es schränkt auch einfach sehr ein, mit den ganzen Endometriose-Symptomen zu tun zu haben – oder auch mit den Krankheiten, die damit zusammenhängen. Betroffene, die vielleicht noch gar nicht wissen, dass sie betroffen sind, sollten auf die Idee kommen können, dass sie Endometriose haben.

Ich habe aus Spanien mitbekommen, dass Frauen sich da seit vergangenem Jahr einfacher wegen Menstruationsbeschwerden krankschreiben lassen können. Wäre das eine Hilfe für Betroffene?

Alexa Tegeler: Für viele Betroffene wäre das sicher eine Erleichterung, sich mit einem anderen Gefühl krankmelden zu können. Denn aktuell denke ich, dass viele über ihre Grenzen gehen, weil sie ihrem Körper nicht mehr vertrauen und funktionieren wollen.

Ich danke Ihnen für das Gespräch. Alles Gute für Sie und die Selbsthilfegruppe!

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Juliane Klug

Als Redakteurin liebt es Juliane, in immer neue Themen einzutauchen. Wenn sie anderen Menschen komplexe Dinge verständlich näherbringen kann, ist sie in ihrem Element. Seit dem Frühjahr 2022 sorgt Juliane im Marketing-Team von Citycare24 für Content.

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