Erste Schritte der Produktsuche

Erste Schritte der Produktsuche
Interview zur Inkontinenz-Produktsuche

"Viele Frauen behelfen sich erst einmal mit dem Binden-Sortiment in Drogerien"

Die ungefähre Lesezeit beträgt 10 Minuten.

Die ungefähre Lesezeit beträgt 10 Minuten.

Erwachsenen-Windeln, Pessare, Analtampons, Vorlagen und mehr: Bei der Fülle an Inkontinenz-Produkten, die der Markt mittlerweile bietet, kann Einsteigern schon mal der Kopf schwirren. Ulrike Podzus gibt Betroffenen Orientierungshilfen an die Hand – und erklärt, was Männer gegen herkömmliche Einlagen haben. Sie ist examinierte Krankenschwester sowie Pflege-Expertin für Kontinenz. Die Interview-Fragen stellte Juliane Klug.

Für Erwachsene ist das Angebot an Inkontinenz-Artikeln richtig groß. Können Sie mal kurz skizzieren, zu welchen Produkten Sie beispielsweise einem unternehmungslustigen und mobilen Mann raten würden, der nach einer Prostata-OP plötzlich ständig unkontrolliert Urin verliert?

Ulrike Podzus: Das ist immer abhängig von dem Schweregrad. Im Prinzip sind jegliche Inkontinenz-Produkte erst einmal per se unisex. Das heißt, man könnte mit einer normalen Einlage arbeiten, die sowohl für Männer als auch für Frauen geeignet ist. Aber oftmals sehen Männer solche Einlagen eher als Frauen-Versorgung an. Deshalb würde ich sagen: Mit einer Einlage, die speziell dafür geeignet ist, dass sie im vorderen Bereich Urin aufsaugt, ist ein Mann mit einer leichten Inkontinenz gut versorgt.

Wenn das mit einer schweren Inkontinenz-Form einhergeht, bei der mehr Urin abgeht, muss man entsprechend anpassen und ein saugstärkeres Produkt verwenden. Aber oftmals ist es bei Prostata-Erkrankungen nur eine sogenannte Tröpfel-Inkontinenz und es gehen nur geringere Mengen ab. Da würde ich etwas Kleineres, Dezenteres empfehlen. Oft kommt es ja auch darauf an, dass man ein diskreteres Produkt haben will, das einem das Sicherheitsgefühl gibt, aber auch unauffällig ist.

Und was raten Sie einer jungen Mutter, die kurz nach der Geburt ihres Kindes stuhlinkontinent ist?

Ulrike Podzus: Stuhlinkontinenz ist eine große Herausforderung, weil die Produkte, die man im Inkontinenz-Bereich verwendet, grundsätzlich erst einmal für Harnkontinenz geeignet sind. Bei einer Stuhlinkontinenz müssen die Produkte weniger aufsaugen, sondern mehr Schutz bieten.

Meinen Sie Auslaufschutz?

Ulrike Podzus: Ja, Auslaufschutz natürlich. Und auch da steht im Vordergrund, dass sie Sicherheit vermitteln. Bei der Stuhlinkontinenz muss man fragen: Um wie viel Stuhl handelt es sich? Ist es wirklich eine komplette Entleerung oder ist es ein Geschmiere? Auch da gibt es natürlich verschiedene Produkte. Betroffene brauchen eigentlich eines, das nur aus Vlies besteht. Bei diesen ist kein sogenannter Super-Absorber enthalten, weil es ja um das Auffangen von Stuhl geht.

Orientiere ich mich, wenn mich das betrifft, dann eher bei den Vorlagen?

Ulrike Podzus: Es gibt sogenannte Vlies-Einlagen, die man sehr gut verwenden kann. Die sind je nach Größe und Umfang des Stuhlabgangs erhältlich. Daher würde ich erst einmal abschätzen, wie viel abgeht und dann auch ein Produkt nutzen, das nur für Stuhlgang geeignet ist. Das sind eben diese Vlies-Einlagen – zum Beispiel Strampelpeter (*Anmerkung: Flockenwindeln der Firma Hartmann).

Wenn jemand jetzt nicht zufällig eine examinierte Krankenschwester wie Sie um Rat fragen kann: Gibt es Faustformeln oder Parameter, mit deren Hilfe man selbst nach dem richtigen Inko-Produkt recherchieren kann? Spielen Geschlecht, Alter, Mobilität und Inkontinenzart eine Rolle?  Oder verschreibt mir mein Arzt immer direkt das passende Produkt?

Ulrike Podzus: Also, wenn man so etwas vom Arzt verschrieben bekommt, bekommt man keine konkrete Benennung. Auf dem Rezept steht dann nur: Inkontinenz-Produkte. Das heißt, der Betroffene kann selbst auswählen. Man kann sich natürlich schon daran orientieren, dass es für die Auswahl der Produkte bestimmte Kriterien gibt. Das heißt, man muss sich – wenn es sich um eine Harninkontinenz handelt – erst einmal fragen: Wie viel Urin geht ab? Denn die Produkte haben sehr unterschiedliche Saugkapazitäten; fangen ganz unterschiedliche Mengen an Urin auf. Deshalb finde ich das die entscheidendste Frage. Und dann entscheidet immer noch das Empfinden des Einzelnen, mit welchem Produkt er sich sicher fühlt. Denn gerade Menschen, die aktiv sind, die mobil sind, möchten natürlich das Sicherheitsgefühl haben. Und dann muss man sich auch die Frage stellen: Was ist diskret? Es soll ja keinem anderen auffallen, dass ich ein Inkontinenz-Produkt benötige. Das sind die entscheidendsten Fragen, die ich mir bei einer Produkt-Auswahl stellen sollte.

Und mit den Antworten darauf kann ich mich auf Shop-Seiten orientieren?

Ulrike Podzus: Genau. Man hat auf bekannten Shop-Seiten und Online-Portalen immer auch einen Produkt-Finder. Da werden Fragen gestellt – gerade um dem Endverbraucher die Frage „Welches Produkt ist eigentlich für mich das geeignetste?“ leichter zu beantworten. Die Produkt-Finder treffen eine Vorauswahl, sodass man zum Schluss schon so geleitet wird, dass man auf ein geeignetes Produkt kommt.

Mal angenommen, ich bin weiblich und bemerke, dass ich beim Lachen und Husten nicht mehr so dicht halte wie früher. Und mal angenommen, ich habe sowieso Slipeinlagen und Binden zu Hause, weil ich sie während meiner Periode nutze. Kann ich mir die nicht einfach auch täglich in meine Unterwäsche heften? Oder gibt es da Unterschiede zu Inko-Artikeln?

Ulrike Podzus: Normale Damenbinden sind nur für Blutungen gedacht. Es ist oft zwar so, dass sich Inkontinenz entwickelt, sodass sich sicherlich viele Frauen erst einmal mit dem Binden-Sortiment in Drogerien behelfen. Der Unterschied ist allerdings, dass eine Inkontinenz-Einlage noch einen sogenannten Absorber beinhaltet. Dieser Absorber bindet einmal Flüssigkeiten – in diesem Falle Urin. Dadurch hat man nicht das Gefühl der Nässe, was bei normalen Damen-Binden der Fall sein würde. Und der Gelbinder neutralisiert Gerüche – ein kleiner Unterschied, der viel ausmacht.

Mit Begriffen wie Windeln, Einlagen und Kathetern können viele Menschen noch etwas anfangen. Bei Pessaren, Urinalkondomen und Analtampons sieht das anders aus. Für welche Zielgruppen eignen sich diese und kommen sie Ihnen im Arbeitsalltag oft unter?

Ulrike Podzus: Mit Pessaren habe ich wenig zu tun. Das ist etwas, worüber ein Arzt – in diesem Fall ein Gynäkologe – entscheidet. Denn das Produkt ist ein reines Frauenprodukt. Und Pessare sollten natürlich immer nur dann Anwendung finden, wenn der Gynäkologe zum Beispiel eine Gebärmutter-Senkung feststellt. Denn so eine Senkung kann durchaus eine Ursache für eine Inkontinenz sein.

Analtamponaden kommen natürlich nur zum Tragen, wenn eine Stuhlinkontinenz vorliegt. Sie sind einzuführen über den Anus. Und auch hier entscheidet ein Arzt, wann diese Produkte überhaupt Anwendung finden. Denn nicht bei jeder Stuhlinkontinenz sollte man mit Analtampons arbeiten – zum Beispiel, wenn eine entzündliche Krankheit zugrunde liegt wie etwa Morbus Crohn.

Die Kondomurinale finden durchaus mehr Anwendung und sind die Entscheidung des Endverbrauchers. Das sind aber auch nur Produkte, die für Männer verwendbar sind. Sie sind eine gute, gute Alternative zu aufsaugenden Inkontinenz-Produkten oder auch zu normalen Kathetern, die in der Blase liegen. Kondomurinale haben den großen Vorteil, dass sie nicht invasiv sind. Das heißt: Im Gegensatz zu einem Dauerkatheter sind sie einfach wie ein normales Kondom über das Glied zu stülpen und man kann einen Bein- oder Bett-Beutel an sie anbringen. Der große Vorteil ist: Man ist dank des Hilfsmittels kontinent.

ULRIKE PODZUS

Zur Person: Ulrike Podzus hat 1990 die staatliche Prüfung in der Krankenpflege abgelegt. Danach hat sie zehn Jahre lang als examinierte Krankenschwester in verschiedenen Kliniken gearbeitet. Seit 2001 ist sie bei der Firma Hauschild, einem medizinischen Fachhandel für Hygieneprodukte und Homecare-Unternehmen aus Lilienthal bei Bremen, im Außendienst tätig. In dieser Funktion betreut und berät sie Kunden, hält aber auch Präsentationen und gibt Schulungen. Von 2012 bis 2015 hat Ulrike Podzus außerdem bei der Wannsee-Akademie in Berlin eine berufsbegleitende Weiterbildung zur Pflege-Expertin für Stoma, Kontinenz und Wunde gemacht.

2 Antworten

  1. Ich hätte hier eine Produktberatung erwartet. Z. B. Pants der Firma xyz haben folgenden Auslaufschutz…..Pants in grossen Grössen gibt es von Tena und Firmen xyz
    Die Produkte von Tena haben sich im Auslaufschutzvolumen gerade enorm verschlechtert.
    Welche Alternativen gibt es?
    Tatsächlich fangen die Pants nur noch 60% von dem vorher auf. Pants in Grösse Xl mit 8 Punkten seit ca. 3 oder 4 Monaten

    1. Sehr geehrte Frau Richter,

      zum Start unseres Ratgebers haben wir uns für einen allgemeinen Einstieg in die Produktsuche entschieden. Mit der Zeit wollen wir allerdings tiefer in die Materie einsteigen. Außerdem sollen unsere Kunden bis Ende dieses Jahres eine Produkt-Beratung in unserem Shop finden, die mithilfe einiger zu beantwortender Fragen mögliche passende Artikel vorschlägt.

      All das hilft Ihnen kurzfristig natürlich nicht. Deshalb könnten wir Ihnen Vorschläge für Alternativprodukte per E-Mail zukommen lassen. Sind Sie damit einverstanden?

      Beste Grüße

      Ihr Citycare24-Team


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Juliane Klug

Juliane Klug

Als Redakteurin liebt es Juliane, in immer neue Themen einzutauchen. Wenn sie anderen Menschen komplexe Dinge verständlich näherbringen kann, ist sie in ihrem Element. Seit dem Frühjahr 2022 sorgt Juliane im Marketing-Team von Citycare24 für Content.

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