Inkontinenz und Sex

Inkontinenz und Sex
Sexualleben mit Inkontinenz

Bedeutet Inkontinenz das Aus fürs Intimleben?

Die ungefähre Lesezeit beträgt 10 Minuten.

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Ciao Spannungsbogen: Denn bei solch einem Thema und so einer Frage im Titel gibt es die wichtigste Info heute mal gleich zu Beginn des Textes. Und sie lautet: Nein, natürlich können auch Personen, die mit Inkontinenz leben, ein erfülltes Sexleben haben! Dafür kommt es einmal auf die Einstellung des betreffenden Menschen an und dann auch ein bisschen auf die Vorbereitung. Und schwupps: Da ist die Spannung wieder da…

Inhaltsverzeichnis

Beim Sex gibt es nichts, das es nicht gibt. Dennoch fühlen sich die meisten Menschen vermutlich eher nicht angesprochen, wenn Fäkalien Teil des Liebesspiels werden. Weil das so ist, und weil Inkontinenz sowieso ein intimes und gleichzeitig schambehaftetes Thema ist, ziehen sich zahlreiche Betroffene zurück, isolieren sich sozial. Leben sie in einer Beziehung, heißt das nicht unbedingt, dass die engsten Angehörigen von der Darm- oder Blasenschwäche wissen. Einer Studie zufolge, die die Hartmann-Gruppe in Auftrag gegeben hat, haben 39 Prozent der befragten inkontinenten Menschen noch nie mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner über ihr Problem gesprochen. Es ist anzunehmen, dass mindestens die Sexualität der Genannten, vermutlich aber auch die einiger Menschen mehr, deshalb völlig zum Erliegen kommt. Dabei betonen alle für diesen Artikel verwendeten Quellen, wie wichtig es ist, die Person an der eigenen Seite einzuweihen – gerade auch für ein intaktes Intimleben. Also heißt es: mutig sein, miteinander sprechen, um so unangenehmen Situationen sowie Überraschungen zuvorzukommen – und vorsorgen.

Vorbereitung und Stellungswechsel

Wiebke Hendeß, Sexualberaterin aus Oldenburg und selbst eigenen Aussagen nach stuhlinkontinent, empfiehlt, Darm und Blase zu entleeren, bevor das Liebesspiel beginnt. Außerdem sollten Betroffene Handtücher griffbereit haben. Hendeß verweist auch auf das „… sogenannte Stuhl- und Blasenmanagement […] das heißt zum Beispiel nicht direkt vorher Kaffee oder große Mengen anderer Getränke zu sich zu nehmen und bei Querschnittsgelähmten zum Beispiel darauf zu achten, dass die nächste Darmentleerung zeitlich weit entfernt ist (…, „Inkontinenz und Sexualität“).

Zudem kann ein Stellungswechsel hilfreich sein, erklärt die Manfred-Sauer-Stiftung online: „Damit der Druck auf Blasen- und/oder Darmausgang so gering wie möglich ist, sollte das Paar entweder seitliche Stellungen bevorzugen oder der von der Inkontinenz betroffene Partner oben sein. Wenn beide Partner querschnittgelähmt sind, sind sogenannte Liebesschaukeln eine denkbare Alternative“ („Sexualität und Querschnittlähmung“).

Weil sich Inkontinenz bei Stress verschlimmern kann und die Angst davor, vom Gegenüber unrein wahrgenommen zu werden, Stress verursachen kann, schlägt Wiebke Hendeß den Lesern ihres Beitrags Sex in der Badewanne oder unter der Dusche vor. Ansonsten können auch Kondome oder Analtampons die richtigen Hilfsmittel für ein malheurfreies Liebesspiel sein (Manfred-Sauer-Stiftung).

Das Sexleben von Stomaträgern und -trägerinnen

Nun äußern sich Blasen- und Darmprobleme nicht immer an den Ausgängen, die die meisten Erdenbürger auf natürlichem Wege bekommen haben. Es gibt auch zahlreiche Menschen, die ihr Intimleben wegen künstlicher Ausgänge neu denken müssen. Aber auch sie müssen nicht enthaltsam leben!

Hollister hat eine Broschüre über „Sexualität und Familienplanung“ für Stoma-Trägerinnen und -Träger geschrieben. Darin empfehlen die Autoren und Autorinnen, ausführlich mit extra dafür ausgebildeten Stomatherapeutin oder -therapeuten zu sprechen – und sich Zeit zu nehmen. Zeit dafür, den Körper und womöglich auch die Gefühle ihm gegenüber neu kennenzulernen und die vielleicht verschwundene Libido wieder erwachen zu lassen. Im Idealfall ist das neue Körpergefühl gut, weil sich das Leben mit Stoma sehr viel besser anfühlt als das von Krankheitssymptomen bestimmte aus der Zeit zuvor. Womöglich ist es gar nicht anders als vor der Operation – Patientinnen und Patienten bleiben ja auch sie selbst. Ein künstlicher Darm- oder Blasenausgang ändert schließlich nichts am Wesen.

Selbstakzeptanz

Aber wenn sich das Leben plötzlich doch wie ein anderes anfühlt, dann sollten die Betreffenden geduldig mit sich selbst sein. „Vielleicht beginnen Sie damit dass Sie sich im Spiegel betrachten, Ihren Körper anschauen und berühren. Lassen Sie Ihre Gefühle zu. Anfangs können das Trauer, Wut oder sogar Ekel sein. Im Laufe der Zeit werden sich diese Gefühle verändern und verbessern“, schreiben die Expertinnen und Experten von Dansac in ihrer Broschüre „Wohlfühlen in der eigenen Haut“ (Seite 9).

Wenn es dann so weit ist, und sich der oder die Betroffene wieder vorstellen kann, die Person, mit der sie sich das Bett teilt, auch wieder nah und womöglich sogar nackt an sich heranzulassen, dann rät Hollister dazu, den Beutel vor dem Sex zu leeren. Baumwollhüllen für Stomata scheuerten – im Gegensatz zu manchem Beutelmaterial – nicht auf der Haut. Außerdem verhinderten sie in intimen Momenten den direkten Blick ins Innere transparenter Beutel oder von Beutelfenstern – genau wie auch dünne Oberteile es tun (Seite 9).

Stomata für Penetration ungeeignet

Frauen, Männer und diverse Menschen, die Analsex praktizieren, geben die Autorinnen und Autoren den Hinweis an die Hand, noch vor dem Operationsprozess mit dem zuständigen Chirurgen oder der zuständigen Chirurgin zu sprechen. Denn je nach Ausgang und Erkrankung könne es notwendig sein, ein Stück des Enddarms zu entfernen, was sich entscheidend auf die Sexualität der Betreffenden auswirken kann. „Wenn bei der Operation ein Teil des Enddarms entfernt wurde, sollte dieser vollständig verheilt sein, bevor Analverkehr wieder in Frage kommt“, geht aus der Hollister-Broschüre hervor (Seite 10). Kurz zuvor unterstreichen die Autoren: „Das Stoma selbst hat keine Nervenenden und kann nichts fühlen. Es sollte niemals für den Geschlechtsverkehr verwendet werden.“

So, damit nähert sich der Spannungsbogen dieses Textes wieder dem Boden. Wir hoffen, er hat unseren Leserinnen und Lesern gezeigt, dass natürlich auch inkontinente Menschen Spaß im Bett haben dürfen und können. Vielleicht müssen sie ein paar Abstriche bei der Spontaneität machen, aber Sex ist dennoch möglich.

Wir haben bei der Erstellung dieses Textes natürlich nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert. Dennoch soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass das hier kein medizinisch-fundierter, wissenschaftlicher Artikel ist. Sollten Sie also generell Fragen in diesem Themenbereich haben, sollten Sie unbedingt die mit Ihrem Fall vertrauten Mediziner und Medizinerinnen konsultieren, Physiotherapeuten und -therapeutinnen, womöglich Menschen, die in der Sexualberatung tätig sind oder auch und Stomatherapeutinnen und -therapeuten.

Einigen generellen Informationen sowie den markierten Zitaten liegen folgende Quellen zugrunde:

„Inkontinenz und Sexualität – ein Widerspruch?, Wiebke Hendeß, unveröffentlichter Buchartikel der Sexualberaterin, Diplombiologin und Peer Counselorin aus Oldenburg (mit Genehmigung verwendet).

Liberty Medical Switzerland AG – Hollister (Link), Stand: 20. November 2022.

ilco Schweiz (Link), Stand: 16. November 2022.

„Sexualität und Querschnittlähmung: Sieben Punkte, die man bei Inkontinenz beachten sollte“, Informationsportal der Manfred-Sauer-Stiftung (Link), Stand: 21. Dezember 2022.

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Juliane Klug

Als Redakteurin liebt es Juliane, in immer neue Themen einzutauchen. Wenn sie anderen Menschen komplexe Dinge verständlich näherbringen kann, ist sie in ihrem Element. Seit dem Frühjahr 2022 sorgt Juliane im Marketing-Team von Citycare24 für Content.

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