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Basisplatte in Alufolie

Picture of <p style="margin-top:15px;">Juliane Klug</p>

Juliane Klug

Redakteurin bei Citycare24

Veröffentlichung am 4. Juni 2025

Die ungefähre Lesezeit beträgt 20 Minuten.

Das Leben mit einem Beutel am Bauch

Was die Geschäftsstellenleiterin der Stoma-Welt Betroffenen rät

„Alles über das Leben mit einem Beutel am Bauch“: Das möchte der Verein Stoma-Welt denjenigen Menschen bieten, die mit einem künstlichen Darm- oder Blasenausgang leben. Und so finden Interessierte online Erfahrungsberichte, Adressen der nächsten Selbsthilfegruppe vor Ort, To-do-Listen für verschiedene Lebensabschnitte, Neuigkeiten zu Hilfsmitteln und vieles, vieles mehr. Außerdem gibt es die telefonische Beratung für Menschen mit einem Stoma. Wer die Nummer 0800 200 320 105 wählt, landet bei Sabine Massierer-Limpert. Die 57-Jährige leitet die Geschäftsstelle der Stoma-Welt im rheinland-pfälzischen Gensingen. Sie ist examinierte Pflegekraft und bringt auch ohne eigenen Beutel am Bauch jede Menge Expertise mit. Wir haben mit Sabine Massierer-Limpert über Kümmel gesprochen, Überzüge und weshalb sie einen Sprung ins kalte Wasser unbedingt empfiehlt.

Sie sind die Geschäftsstellenleiterin des Vereins Stoma-Welt und beraten Betroffene in dieser Funktion. Was sind die Fragen, die Ihnen besonders häufig gestellt werden?
Massierer-Limpert: Die meisten Fragen drehen sich um die Ernährung mit einem Stoma: Was darf ich nach der Stoma-Anlage essen? Worauf muss ich achten, damit mein Stoma nicht verstopft und es keine übermäßigen Blähungen gibt? Dann besprechen wir, wie die Nahrungsmittel jetzt wirken, wie sie sich auf den Stuhlgang auswirken.
Steht der Betroffene vor der Stoma-Anlage, kann man natürlich auch Produkte durchgehen und ich gebe Links heraus, wo sie kostenlose Produkte anfordern können. So können sich die Betroffenen schon mal mit der Versorgung vertraut machen. Ich rate ihnen auch immer dazu, sich so eine Versorgung einfach mal auf den Bauch zu kleben. Auch, wenn sie noch kein Stoma haben – um einfach mal ein Gefühl dafür zu bekommen und die Hautverträglichkeit zu testen. Es geht um alles, was man an Vorbereitungen treffen kann.
Wenn jemand durch eine Not-Operation ein Stoma bekommen hat, sieht das natürlich noch mal ganz anders aus. Dann konnte er sich nicht vorbereiten.
Wir haben auf unserer Internetseite deshalb To-do- und Infolisten, die angepasst sind an die einzelnen Lebensabschnitte. Wenn jemand schon länger ein Stoma hat und es der Person wieder gut geht, beispielsweise eine Chemo vorüber ist, und sie darüber nachdenkt, wieder schwimmen zu gehen, ins Fitnessstudio oder in die Sauna, dann kommen noch mal andere Fragen.
Sabine Massierer-Limpert
Sabine Massierer-Limpert
Im Vorgespräch haben Sie erwähnt, dass Sie selbst keine Stoma-Trägerin sind, aber indirekt betroffen sind. Möchten Sie darüber etwas erzählen?
Massierer-Limpert: Ich habe 27 Jahre lang in der ambulanten Pflege im Bereich Stoma- und Wundversorgung gearbeitet. Da habe ich auch Schulungen gegeben, weil ich festgestellt habe, dass Pfleger und Schwestern in diesem Bereich oft einfach nicht genug geschult sind. Ich wollte ihnen näherbringen, wie sie mit den verschiedenen Materialien umgehen können. Außerdem hat mein Mann ein Ileostoma aufgrund einer Colitis ulcerosa und mein Sohn wurde mit einer Störung des Urinabflusses geboren. Er ist dadurch auch sehr oft operiert worden und hatte im Alter von sieben Monaten einen suprapubischen Katheter. Mit acht Jahren hat er ein Urostoma bekommen und mit 16 hat er von mir eine Niere bekommen, weil seine Nieren nicht mehr genügend gearbeitet haben. Dadurch bin ich noch mehr in den Bereich Stomaversorgung eingetaucht und habe mich weitergebildet.
Dann kennen Sie sich sehr gut aus! Was ändert sich denn im Leben von jemandem, der einen künstlichen Darmausgang oder Blasenausgang bekommt?
Massierer-Limpert: Es kommt immer darauf an. Wenn sich der Betroffene sein Stoma gewünscht hat, weil er zum Beispiel aufgrund einer chronischen Entzündung 20/25 Stuhlgänge am Tag hatte und einen wunden Po, dann akzeptiert er das Stoma meist schneller. Diese Menschen beschäftigen sich damit, die OP ist auf Wunsch geschehen und sie haben anschließend mehr Lebensqualität. Sie sehen das Stoma manchmal sogar als einen Lebensretter an.
Wenn aber der Schließmuskel einer Frau bei der Geburt ihres Kindes so sehr verletzt wurde, dass er nicht mehr funktioniert oder jemand durch einen Unfall ein Stoma bekommen hat, dann wird er in das Thema reingeworfen. Diese Leute konnten sich nicht mit der Ernährung mit Stoma befassen, hatten keine Zeit, sich Bilder anzuschauen von Versorgungswechseln oder davon, wie ein Stoma aussieht. Sie hatten null Vorbereitung. Das heißt: Sie werden oftmals im OP wach und merken, dass sie nun einen Beutel am Bauch haben. Da ist klar, dass sich die Leute ihren ursprünglichen Bauch zurückwünschen. Diese Betroffenen werden auch sehr viel länger brauchen, um ihr Stoma zu akzeptieren.
Aber: Zum Glück haben wir auch ganz viele Menschen, die ihr Stoma wieder zurück gelegt bekommen. Die haben dann ein halbes Jahr oder ein Jahr lang ein Stoma. Das ist zum Beispiel oft so, wenn eine bestimmte Stelle des Darmes entzündet ist. Dann wird diese Stelle oftmals rausgeschnitten. Das Stoma soll dafür sorgen, dass diese Stelle abheilen kann. Später werden die Darmteile dann wieder miteinander verbunden.
Sie haben vorhin dazu geraten, sich für die körperliche Vorbereitung auf ein Stoma einfach mal eine Versorgung an den Bauch zu kleben. Gibt es denn auch Tipps, die Sie Menschen in Vorbereitung auf ein Ileo-, Uro- oder Kolostoma für das soziale Leben und die Psyche ans Herz legen?
Massierer-Limpert: Ich kann jedem Stoma-Träger nur raten, sich vorher zu informieren, wenn er weiß, dass er eine Stoma-Anlage bekommt. Schaut euch die Organisationen an, denn es gibt sehr gute Selbsthilfe-Organisationen – nicht nur uns als Stoma-Welt, sondern beispielsweise auch die Ilco. Lasst euch helfen, tauscht euch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen oder der Online-Community aus, um einfach zu merken: Ihr seid nicht alleine und ihr bekommt Hilfe!
Ich arbeite seit 15 Jahren in der Stoma-Beratung und ich habe immer wieder festgestellt, dass die Betroffenen Angst haben, das erste Mal schwimmen zu gehen, mit dem Stoma in die Sauna zu gehen oder Sport zu machen. Das ist einfach eine große Überwindung. Ist diese geschafft, höre ich ganz oft „Hätte ich das mal zwei Jahre vorher gemacht“. Deshalb kann ich jedem Stomaträger raten, all das, was er vorher gemacht hat, zu machen und nicht so viel drüber nachzudenken. Es gibt ja auch sehr gute Zusatzprodukte wie etwa die von Stoma – na und? von Tamara Lammers. Dabei handelt es sich um Überzieher, die man tragen kann, Neoprenbandagen, Spitzengürtel, die man über das Stoma legen kann – also Hilfsmittel, um das Leben mit einem Stoma leichter zu machen und sich attraktiver, sicherer und besser zu fühlen. Mein Tipp lautet darum, gleich ins kalte Wasser zu springen. Nicht lange warten! Denn: Je länger man wartet, desto schwieriger wird es, das Leben wieder zu genießen und darin einzutauchen.
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Das ist ein guter genereller Rat! Sie haben im Vorgespräch aber auch über nützliche Alltagstipps gesprochen: Welche sind das?
Massierer-Limpert: Ich rate jedem Stomaträger, einen Kulturbeutel dabei zu haben, wenn er unterwegs ist. Darin sollte sich eine Kompresse zum Reinigen befinden, Basisplatten, ein Beutel oder eine komplette einteilige Versorgung – je nachdem, was er benutzt. Vielleicht sollte sich darin auch ein Mittel zum Reinigen befinden, obwohl die meisten ihr Stoma einfach mit Wasser und einer Kompresse reinigen. Dann sollten sie natürlich einen Müllbeutel mit haben und vielleicht noch eine Hautschutzcreme, eine -paste oder ein -puder. Jeder sollte sich seine Versorgung in seine Tasche packen.
Außerdem sollten Betroffene im Sommer daran denken, ihre Basisplatte in Alufolie zu wickeln, wenn ihre Versorgung im Auto liegt. Dann verliert sie ihre Haftfähigkeit nicht.
Wenn ich ein Urostoma habe, ist es notwendig, dass ich mir eine Jogginghose und ein T-Shirt, vielleicht sogar noch Socken einpacke. Denn der Urin läuft, wenn etwas daneben geht, die Beine runter. Wenn ich ein Kolostoma habe und der Stuhlgang fester ist, brauche ich vielleicht nur ein Unterhemd oder T-Shirt. Wenn sich die Platte löst, bekommt jemand, der sein Kolostoma schon eine gewisse Zeit lang hat, das schnell mit und kann schnell handeln. Aber wenn ich ein Ileostoma habe und mein Stuhlgang flüssiger bis breiig ist, dann sollte ich zumindest ein Unterhemd, ein T-Shirt und eine Unterhose mitnehmen.
Wer einen funktionierenden Schließmuskel hat, kann aufkommende Blähungen daran hindern, dass sie sich ihren Weg nach draußen in ungeeigneten Situationen suchen. Wie können sich Stoma-Trägerinnen und -Träger behelfen?
Massierer-Limpert: Wir geben einmal die Tipps, wie verschiedene Nahrungsmittel wirken und was man tun kann, wenn es extrem stark riecht. Der Stuhl kann zum Beispiel stark riechen, wenn jemand Eier, Fisch, Pilze oder Knoblauch gegessen hat. Das sind alles Sachen, die stark riechen. Geruchshemmend wirken Lebensmittel wie Joghurt, einen Preiselbeersaft, grüner Salat, Petersilie. Wenn ich den Fisch mit einem grünen Salat kombinieren, dann riecht es nicht so doll.
Wer als Betroffener mit viel Luft im Beutel und Blähungen zu kämpfen hat, dem rate ich, zu jeder Mahlzeit gemahlenen Kümmel auf dem Tisch stehen zu haben. Isst man Kartoffeln oder Gemüse, kann man davon eine Messerspitze über sein Essen geben, um den Blähungen vorzubeugen. Fenchel-Anis-Kümmeltee ist auch sehr gut. Außerdem muss man natürlich darauf achten, was man zu sich nimmt. Es ist klar, dass jeglicher Kohl, Lauch und kohlensäurehaltige Getränke mehr blähen.
Was machen denn eigentlich Menschen, die auf dem Bauch schlafen und ein Stoma bekommen? Können die diese Schlafposition beibehalten?
Massierer-Limpert: Ja, schon. Auch hier kommt es auf die Stoma-Art an. Meistens schlafen diese Leute auf dem Bauch und haben dabei ein Bein angewinkelt, vielleicht noch mit einem kleinen Kissen darunter. Dann ist der Körper auf einer Seite leicht erhöht. Es kommt aber auch darauf an, wann jemand seine letzte Mahlzeit vor dem Schlafen isst und wie voll der Beutel ist. Wenn man beispielsweise ein Kolostomaträger ist, der um 6 Uhr abends das letzte Mal isst und vor dem Schlafen um 22 Uhr seinen Beutel noch einmal entleert, sollte das gehen. Es gibt auch viele Betroffene, die ihren Stuhlgang zu geregelten Zeiten haben – oft auch wie vorher. Vielleicht hat man nachts auch komplett seine Ruhe. Es gibt Möglichkeiten für Bauchschläfer.
Das ist gut! Auch Schwangerschaften sind trotz Stoma möglich, oder?
Massierer-Limpert: Es gibt sehr viele Stomaträgerinnen, die Schwangerschaften durchlebt haben. In unserer Facebook-Gruppe sind auch sehr viele Mamis dabei. Klar gibt es da Ängste und das Stoma muss beobachtet werden, während der Bauch wächst. Aber unter ärztlicher Kontrolle ist das kein Thema. Das Stoma allein ist kein Grund, auf eine Schwangerschaft zu verzichten. Klar kann es im letzten Drittel der Schwangerschaft oder unter den Presswehen passieren, dass sich das Stoma rausdrückt oder es zu einem Prolaps kommt, aber das ist kein Muss.

Auch Frauen ohne Stoma können durch Geburten einen Prolaps erleben….

Was mich als Nächstes interessiert: Wir haben jetzt schon darüber gesprochen, dass es gut ist, als betroffener Mensch mit Stoma irgendwann über seinen Schatten zu springen, sich wieder ins Freibad zu trauen, auch wenn das Stoma da sichtbar ist. Gibt es denn Dinge, bei denen die Gesellschaft ihre Hausaufgaben ihrer Ansicht nach noch machen muss?

Massierer-Limpert: Wenn aber jemand im Bikini und mit Stoma ins Freibad oder an den Strand geht, dann ist das sein gutes Recht. Dann muss man das akzeptieren. Die Social-Media-Plattformen funktionieren so, dass 2000 Menschen einen Beitrag gut finden, aber auch immer ein paar sagen „Das geht gar nicht, das sollte man nicht zeigen“. Das ist aber kein Grund, etwas dann nicht zu machen. Die Akzeptanz wächst dann, wenn die Leute merken, der Betroffene macht sich nichts draus.
Jemand, der eine Behinderung hat, der zu dick ist, zu dünn – egal, was es ist, dass nicht in die gesellschaftliche Norm passt -, der hat trotzdem das Recht, sein Leben zu leben. Er hat trotzdem das Recht, schwimmen zu gehen, Fahrrad zu fahren, das zu machen, was ihn glücklich macht – ohne Rücksicht auf die Gesellschaft. Ich kann nur jedem raten: Macht es! Und wenn die Leute gucken, lasst sie gucken. Es ist ganz egal. Wir haben alle nur ein Leben und wir sollen glücklich sein.
Das ist ein gutes Schlusswort. Vielen Dank für das Interview!

Die Selbsthilfe Stoma-Welt, alles über das Leben mit einem Beutel am Bauch, ist online hier zu finden: stoma-welt.de. Wer mit Sabine Massierer-Limpert sprechen möchte, erreicht sie telefonisch unter der Nummer 0800 – 200 320 105.

Was in die Notfalltasche gehört

  • Stomabeutel
  • Stomaplatte
  • Schere
  • Müllbeutel
  • Pflasterlöser
  • allem, was individuell noch nötig ist für einen Wechsel des Hilfsmittels
  • Stomapass (bekommen betreffende Personen vom Homecare-Unternehmen, von ihrer Stomaschwester oder auf Nachfrage in der Arztpraxis ihres Vertrauens), auf dem der exakte Name des verwendeten Produktes und der verwendeten Materialien vermerkt ist
  • der Hilfsmittelpass (geben unter anderem Hersteller raus) soll etwa Kotrollen am Flughafen erleichtern

(Die meisten Infos hieraus kommen vom Portal Stoma-Welt)

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Juliane Klug

Als Redakteurin liebt es Juliane, in immer neue Themen einzutauchen. Wenn sie anderen Menschen komplexe Dinge verständlich näherbringen kann, ist sie in ihrem Element. Seit dem Frühjahr 2022 sorgt Juliane im Marketing-Team von Citycare24 für Content.

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