Genetischer Zwilling gesucht
Die ungefähre Lesezeit beträgt 15 Minuten.
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Mehr als 13 500 Menschen in Deutschland haben im Jahr 2020 eine Leukämie diagnostiziert bekommen (Zentrum für Krebsregisterdaten). Für sie, aber auch für Menschen mit Immundefekten, Anämien und anderen Formen der gestörten Blutbildung, kann eine Knochenmarktransplantation den Weg heraus aus der Krankheit markieren (Stiftung Aktion Knochenmarkspende Bayern, AKB). Dafür braucht es Personen, die gewillt sind, etwas von ihrem Knochenmark abzugeben. Wie man sich für eine Spenderdatei registriert und welche Methode bei der Stammzellenentnahme mittlerweile vorrangig zum Einsatz kommt, das steht im nun folgenden Artikel.
Potentieller Spender werden ist ganz einfach
„Mund auf. Stäbchen rein. Spender sein“ – wer kennt ihn nicht, den Slogan, mit dem die DKMS für die Registrierung in ihrer Knochenmarkspenderdatei wirbt? Tatsächlich sind dafür nur unwesentlich mehr Schritte nötig:
- auf dmks.de das Registrierungsset bestellen und dafür ein paar Daten abgeben
- die Wange im Mundraum nach Anleitung abstreichen
- die Probe zurückschicken
Anschließend ist man auch schon in der Datei und der DKMS-Seite zufolge weltweit als potentieller Spender zu finden. Das hängt auch damit zusammen, dass die anonymisierten Daten, die alle Dateien in Deutschland sammeln, im Zentralen Knochenmarkspender-Register für Deutschland (ZKRD) zusammenfließen. Denn selbstverständlich gibt es neben der DKMS auch noch weitere Spenderdateien, die sich um denselben Betriebszweig kümmern: Es sind etwa 30 insgesamt (AKB) und dazu gehören unter anderem das DRK, verschiedene Unikliniken und Hochschulen sowie bestimmte Krankenhäuser. Allerdings dürfte die DKMS im deutschsprachigen Raum die bekannteste und die Registrierung bei allen ähnlich sein.
Erst unter der Lupe, dann an der Nadel oder im OP
Und was passiert, wenn jemand als sogenannter genetischer Zwilling ausgemacht wird? Dann meldet sich die Spenderdatei bei der- oder demjenigen. Zunächst wird dann laut DKMS mithilfe einer Blutprobe sichergestellt, dass sie oder er tatsächlich wie der umgangssprachliche Topf mit dem Deckel zusammenpasst. Fällt die Rückmeldung auch hier positiv aus, geht es zur Entnahme.
Diese kann auf zwei Arten geschehen: eine ist die Punktion des Beckenkamms, für die der Spender oder die Spenderin in Vollnarkose versetzt wird. „Dabei wird, je nach Gewicht des Patienten, zwischen 0,5 und 1,5 Liter Knochenmarkblut durch eine Punktionsnadel abgesaugt. Die Entnahme dauert etwa eine Stunde“, schreibt die Deutsche Stammzellenspenderdatei (vom DRK) online. Allerdings werden der DKMS zufolge nur noch etwa 10 Prozent der Knochenmarksentnahmen unter Vollnarkose gewonnen.
Die weitaus häufigere Entnahmeart ist die sogenannte periphere Stammzellenspende. Bei ihr kommt die sogenannte Apherese zum Tragen. Nach einer viertägigen Vorbereitungsphase, die den Körper dazu anregt, Stammzellen ins Blut abzugeben, kommt die Spenderin oder der Spender an ein Separationsgerät (Stammzellenspenderdatei). Dafür ist ein Zugang in der Armbeuge notwendig. „Bei dieser Methode wird das Blut des Spenders in einem ständigen Kreislauf aus einer Armvene durch einen Zellseparator geleitet und wieder zurückgeführt“ (DRK-Datei). Alles, was nicht benötigt wird, bekommt der Körper demnach wieder – so wie bei einer Plasmaspende. Diese Art des Aderlasses dauert vier bis fünf Stunden; danach geht’s meist nach Hause (DRK-Datei).
Wie geht es für Erkrankte weiter?
Damit ist die Arbeit der spendenden Seite getan. Nun ist die empfangende an der Reihe. Erfahrungsberichten der DKMS lässt sich entnehmen, dass Empfängerinnen und Empfänger mit Blutkrebs ihren Körper zunächst mit einer Chemotherapie auf die Spende vorbereiten müssen. Danach wird das eigene blutbildende System und Abwehrsystem durch des genetischen Zwillings ersetzt. Das geschieht einem Erfahrungsbericht der Stiftung Warentest zufolge wie bei einer Blutkonserve mittels Infusion.
Dafür, dass die fremden Zellen im eigenen Organismus andocken, benötigt der Patient oder die Patientin auch etwas Glück.
Nicht jeder Mensch kommt infrage
Um dieses im gesamten Vorgang nicht überzustrapazieren, kommen nur diejenigen Menschen für eine Knochenmarkspende infrage, bei denen möglichst viele Übereinstimmungen der Gewebemerkmale gegeben sind (HLA; organspende-info). Und um weder Sender oder Senderin noch Empfängerin oder Empfänger zu gefährden, gibt es zudem bestimmte Kriterien, die zum Ausschluss beim Aderlass führen:
- wenn jemand bösartige Erkrankungen wie Krebs hatte oder hat
- Alkohol-, Medikamenten- und Drogensucht
- wenn jemand einen Herzinfarkt hatte, Herzerkrankungen, Bluthochdruck oder Bypässe
- Infektionskrankheiten wie Chagas, die Schlafkrankheit, Malaria, Lepra oder ähnliches
- wenn er oder sie Bluter beziehungsweise Bluterin ist oder andere Erkrankungen der Blutgefäße, des Gerinnungssystems oder ähnliches hat
- infektiöse Krankheiten wie Salmonellen, Syphilis, Hepatitis, HIV, Borreliose etc.
- Atemwegserkrankungen wie COPD, schweres Asthma oder chronische Bronchitis
- die Behandlung mit Wachstumshormonen
- starke Allergien
- Organ- und Gewebetransplantationen
- schwere Nieren- oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
- psychische Erkrankungen oder welche des zentralen Nervensystems
- Diabetes oder andere Krankheiten, die die endokrinen Drüsen betreffen
- Autoimmunerkrankungen wie Lupus, rheumatoider Arthritis und mehr
Quelle: Uniklinikum Würzburg
Zudem gibt es für die Stammzellenspende ein Mindest- und ein Höchstalter: Spenderinnen und Spender müssen mindestens 18 Jahre alt und dürfen höchstens 60 Jahre alt sein, wobei eine Neuregistrierung bis zum 55. Lebensjahr möglich ist (DRK-Datei).
Wenn beide Seiten das möchten, so haben die Beteiligten zwei Jahre nach der Spende die Gelegenheit, die Kontaktdaten des jeweils anderen zu erhalten und sich kennenzulernen. Vor Erreichen der zwei Jahre besteht diese Möglichkeit nicht oder nur auf anonymen Brief- und Mailkontakt beschränkt. Grund hierfür sind unter anderem gesundheitliche Rückschläge auf der Seite der Empfängerin oder des Empfängers. Doch: Wie viele Menschen wünschen sich Kontakt? Einen Hinweis liefern Infos der DKMS – auch wenn der Referenzwert, also die Zahl der Transplantationen fehlt: „Allein 2017 gab es über 3.100 Briefkontakte zwischen Stammzellspendern und Patienten aus 42 Ländern, in 661 Fällen wurden Kontaktdaten ausgetauscht“, steht in den Anonymitätsregeln der DKMS.
Kein Rückenmark
Einigen generellen Informationen sowie den markierten Zitaten liegen folgende Quellen zugrunde:
Zentrum für Krebsregisterdaten „Leukämien“ (Link), Stand: 01. März 2024.
Stiftung Aktion Knochenmarkspende Bayern „Wer braucht Blutstammzellen/Knochenmark?“ (Link), Stand: 01. März 2024.
Universitätsklinikum Würzburg „Wie kann ich mich registrieren lassen?“ (Link), Stand: 01. März 2024.
Deutsche Stammzellspenderdatei (DSSD) „Ablauf einer Stammzellspende“ (Link), Stand: 01. März 2024.
Deutsche Stammzellspenderdatei (DSSD) „Voraussetzungen zur Stammzellspende“ (Link), Stand: 01. März 2024.
test.de „Wie die Spende abläuft und wie sie hilft“ (Link), Stand: 01. März 2024.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) „Die Stammzellenspende und Transplantation bei schwerwiegenden Erkrankungen des Blutes“ (Link), Stand: 01. März 2024.
DKMS Donor Center gGmbH „News & Stories“ (Link), Stand: 04. März 2024.
DKMS Donor Center gGmbH „Bestelle dein Registrierungsset!“ (Link), Stand: 04. März 2024.
DKMS Donor Center gemeinnützige GmbH „Schutz für Spender und Patienten“ (Link), Stand: 04. März 2024.