Juliane Klug
Redakteurin bei Citycare24
Veröffentlichung am 16. Oktober 2025
Die ungefähre Lesezeit beträgt 10 Minuten.
Frauen sind in unserer Gesellschaft prozentual immer noch diejenigen, die einen Großteil der Care-Arbeit übernehmen. Sie organisieren öfter als ihre Partner Geburtstage und Geschenke dafür, kaufen ein, putzen, kochen, besorgen die passende Kleidung in der richtigen Größe für die Kinder, bleiben öfter bei dem kränkelnden Nachwuchs zu Hause und pflegen – Kinder sowie später auch ihre Eltern oder Schwiegereltern. Aber auch Frauen brauchen manchmal Pflege. Insbesondere nach der Geburt eines Kindes. Mütterpflegerinnen machen genau das. Wann sie im Einsatz sind und wie ihre Pflege genau aussieht, das hat Anna Heijenga im Interview erzählt. Die 36-jährige Wahlbremerin arbeitet als Mütterpflegerin.
Anne Heijenga: Meine Hauptaufgabe ist das Wochenbett. Wenn die Frau nach Hause kommt und der Partner nach zwei Wochen schon wieder in den Job startet, ist sie oft alleine. Aber: Eine Frau braucht im Wochenbett definitiv Ruhe, sollte jeglichen Stress vermeiden und einfach diese Baby-Kuschelzeit genießen können. Auch einfach, um heilen zu können und anzukommen in dieser Mutterrolle. Da kommen wir Mütterpflegerinnen dann ins Spiel.
Wer hat die Frauen denn früher umsorgt? Oder anders gefragt: Wie lange gibt es den Job so denn schon?
Anne: Ich kann dir gar nicht sagen, wie lange es diesen Beruf schon gibt. Aber die Tätigkeit gibt es schon total lange. Früher hatte man halt dieses Dorf um sich. Familien haben eng zusammen gewohnt. Die Frau hatte einfach Unterstützung: Sie wurde umsorgt, die größeren Kinder wurde betreut durch die Oma, es wurde gekocht… Das war einfach etwas ganz anderes. Heutzutage sind Frauen durchaus auch mal alleinerziehend oder man ist mit seinem Partner eben zu dritt, wenn man das erste Kind bekommt; zu viert, wenn es schon ein Geschwisterkind gibt. Und das ist dann bei vielen schon das Dorf.
Anne: Nein, oft auch nicht einmal in der Nähe.
Anne: Für die Mama beginnt ja ein komplett neuer Lebensabschnitt. Nicht nur das Baby wird geboren, auch die Mama wird noch einmal neu geboren – auch beim zweiten Baby. Denn auch dann muss sich das Familienleben einfach wieder neu einspielen. Und was eine Mutter geleistet hat bis dahin: die ganze Schwangerschaft, dann einfach eine Geburt zu wuppen und ein Kind zu nähren. Da ist es richtig wichtig, dass auch die Mama genährt wird, dass es ihr gut geht! Nur dann kann es in meinen Augen den Kindern und der restlichen Familie gut gehen.
Anne: Als Mütterpflegerin können wir auch schon in der Schwangerschaft unterstützen. Das Schöne ist, dass die Krankenkasse das bezahlt, wenn eine medizinische Indikation vorliegt. Das könnte in der Frühschwangerschaft sein, wenn die Frau an Schwangerschaftserbrechen leidet und ihren Alltag deshalb nicht mehr führen kann.
Anne: Es gibt zwei Paragraphen, über die die Krankenkasse das abrechnet. Der eine bezieht sich auf die Schwangerschaft und die Geburt und alles, was darauf zurückzuführen ist. Bei dem anderen zahlt die Frau maximal 10 Euro am Tag hinzu. Das ist dann im Falle einer Krankheit. Wir dürfen auch kommen, wenn das Kind schon älter ist. Wenn die Mutter sich beispielsweise einen Arm oder ein Bein bricht, dann kann sie ihren Haushalt nicht wie gewohnt führen. Das gleiche gilt für eine Reha oder einen Bandscheibenvorfall. Dann dürften wir auch dann noch kommen.
Eine Indikationen für nach der Geburt ist zum Beispiel eine Wochenbett-Depression oder auch die Prävention einer Wochenbett-Depression. Es ist übrigens nachgewiesen, dass, wenn man eine Mütterpflegerin im Einsatz hatte, die Wahrscheinlichkeit sinkt, an einer Wochenbett-Depression zu erkranken. Ein weiterer Indikator für eine Mütterpflegerin ist ganz klar der Kaiserschnitt, nach dem sich eine Frau schonen muss, es sind Geburtsverletzungen, ein hoher Blutverlust, Mehrlinge… Das können aber auch schon Stillprobleme sein, das kann Überforderung sein oder Erschöpfung. In der Schwangerschaft können es vorzeitige Wehen sein. Also, wenn der Arzt dir sagt, dass du dich schonen und ganz viel liegen musst. Da spielt ganz viel rein.
Anne: Das kommt total drauf an und ist sehr unterschiedlich. Wir machen das sehr individuell und schauen wirklich: Was braucht die Frau jetzt innerhalb dieser Wochen, damit es ihr besser und gut geht? Manche Frauen brauchen ein offenes Ohr und wollen über die Geburt reden, vielleicht wünschen Sie sich mal eine Massage. Das ist dieses Mothering the Mother (übersetzt etwa: die Mutter bemuttern). Andere brauchen unbedingt das Außendrum organisiert: den Alltag, ein bisschen Haushalt, dass die Kinder betreut sind. Manche wünschen sich auch explizite Kuschelzeit mit dem Baby. Wir kümmern uns dann ums Geschwisterkind. Dann fällt es nicht hinten runter. Es ist wirklich total unterschiedlich, was sich die Frauen wünschen.
Tätigkeiten im Haushalt gehören auf jeden Fall mit dazu – vor allem Wäsche. Das ist beim Haushalt auf dem Platz Nummer eins. Bei mir geht es dann auch viel ums Kochen. Ich finde es total wichtig, dass die Frau mindestens eine warme Mahlzeit am Tag bekommt – wenn nicht sogar zwei, sodass sie wirklich gut genährt wird. Denn die meisten Frauen stillen und nähren ein Kind. Wenn die Mamas allein mit dem Baby zu Hause sind, ist es nämlich total oft so, dass sie um 12 das erste Brot oder Müsli essen. Abends schieben sie sich auch eben noch schnell ein Brot rein und das war’s. Die Frauen schaffen es einfach gar nicht wirklich, sich um sich selbst zu kümmern. Dafür sind wir dann auch da.
Anne: Genau. Aber manche Einsätze teile ich mir aber tatsächlich mit einer Kollegin. Mittlerweile gibt es drei Mütterpflegerinnen in Bremen und einige außerhalb. In der Regel bin ich aber alleine bei der Familie.
Anne: Das ist total unterschiedlich. Es kann sein, dass das zehn Stunden in der Woche sind. Es kann aber auch sein, dass das fünf Stunden am Tag sind, fünf Tage die Woche. Das kommt auf die Diagnose an.
Anne: Ich glaube, das wissen noch viel zu wenige. Der Beruf ist wirklich noch relativ unbekannt und wir müssen noch viel Werbung machen! Ich würde mir wünschen, dass Ärzte und Hebammen uns auf dem Schirm haben und das den Frauen auch an die Hand geben können, wenn sie schon in der Schwangerschaft merken, dass da Bedarf ist.
Anne: Ich mache nichts Medizinisches. Ich untersuche nicht, ich entscheide auch nichts in dem Bereich und habe deshalb auch keine Verantwortung für das Kind oder die Mutter. Ich habe Fachwissen rund um die Geburt, bin spezialisiert aufs Wochenbett und bin eine gute Unterstützung. Aber ich ersetze die Hebamme auf gar keinen Fall! Das ist ganz wichtig. Das verwechseln viele. Die Hebamme soll auf jeden Fall kommen. Das ist wichtig! Sie wiegt das Kind, schaut, dass alles in Ordnung ist und hat die medizinische Ausbildung. Wir Mütterpflegerinnen sind eine Unterstützung, die praktische Hilfe sozusagen.
Eine Hebamme ist bei einem Wochenbett-Besuch nur kurz da, sie wird nur für 20 Minuten bezahlt. Die meisten sind länger da, aber wir sind für mehrere Stunden am Tag vor Ort.
Anne: Als Doula begleite ich Frauen mental unter der Geburt. Auch da mache ich nichts Medizinisches und führe keine Untersuchungen durch. Ich sage der Frau nicht, wie es ihrem Kind im Bauch geht, sondern ich bin rein mental da. Ich bereite die Frauen während ihrer Schwangerschaft auf die Geburt vor, wir lernen uns kennen und bauen ein intensives Vertrauensverhältnis auf. Ich bin die ganze Zeit an ihrer Seite – auch dann, wenn beispielsweise die Hebamme in der Klinik Schichtwechsel hat. So hat die Frau mindestens eine vertraute Person, die sich mit dem Thema Geburt auskennt, die ganze Zeit über an ihrer Seite.
Anne: Ja genau. Und da ist es in meinen Augen total schön, dass auch die Hebammen wissen: Da ist noch jemand. Der macht zwar nichts Medizinisches, aber kennt sich ein bisschen mit Geburt aus und die Frau ist einfach nicht alleine.
Anne: Die Themen Schwangerschaft und Geburt haben mich schon immer fasziniert. Als ich dann selber schwanger war, wurde das noch mehr und nach der Geburt noch einmal mehr. Den Beruf der Hebamme fand‘ ich schon immer total interessant, habe dann aber für mich entschieden, dass ich den mit einem kleinen Kind nicht mehr ergreife. Irgendwann bin ich auf die Doula gestoßen und dachte: Das ist eigentlich genau das, was ich machen möchte. Als ich damit angefangen habe, habe ich auch die Arbeit der Mütterpflegerin kennengelernt. Das lässt sich ja auch super miteinander kombinieren.
Anne: Das ist schön oder? Das ist eine richtig wertschätzende Arbeit. Man bekommt wahnsinnig viel zurück. Für mich ist auch mit das Schönste, dass ich, wenn ich dann da war und nach ein paar Wochen der Auftrag zu Ende ist, sehe, wie viel besser es den Frauen geht. Sie sind meist unfassbar dankbar – auch für Kleinigkeiten wie dass mal jemand das Gemüsefach auswischt. Dinge, zu denen man im Wochenbett definitiv nicht kommt. Es ist ja der Alltag, der erst einmal so anstrengend ist. Und das ist total schön an dem Beruf.
Anne: Dazu gehört auf jeden Fall Empathie. Sie sollte rücksichtsvoll sein, auf Augenhöhe mit den Familien umgehen, aber vor allem empathisch sein. Da ist das Wichtigste!
Als Redakteurin liebt es Juliane, in immer neue Themen einzutauchen. Wenn sie anderen Menschen komplexe Dinge verständlich näherbringen kann, ist sie in ihrem Element. Seit dem Frühjahr 2022 sorgt Juliane im Marketing-Team von Citycare24 für Content.
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